10.10.2014
Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und ein breites
Fachpublikum aus sieben Nationen gaben sich am vergangenen Montag in
Mertesdorf die Ehre. In einem Workshop wurden die ersten Ergebnisse aus
dem von der EU (Life-Plus-Programm) geförderten Projekt „Material
Advanced Recovery Sustainable Systems“ (kurz MARSS) vorgestellt. Dabei
geht es darum, Rest- und Bioabfall in einer Mülltonne zu sammeln und
anschließend technisch zu trennen. Dies soll so sauber durchgeführt
werden, dass der Bioabfall als klimaneutraler, organischer Brennstoff in
Biomassekraftwerken eingesetzt werden kann. Die Technik, die dies
ermöglichen soll, wird derzeit auf dem Gelände des Entsorgungs- und
Verwertungszentrum (EVZ) Mertesdorf in Kombination mit der
mechanisch-biologischen Trocknungsanlage (MBT) Mertesdorf
erprobt.
Thomas Pretz, Professor an der RTWH Aachen, kennt den Müll
aus der
Region in- und auswendig. Hunderte von Proben des Trierer Hausmülls hat
sein Institut untersucht. Nun wird auf dieser Grundlage daran gefeilt
mittels Sieben und Sichten einen Biomasse-Brennstoff herzustellen. Das
Besondere: Der Abfall wird nicht über eine Biotonne bei den Haushalten
eingesammelt, sondern landet ganz normal mit Windeln, Kunststoffresten,
Porzellan und vielem mehr in der Mülltonne.
Klimaneutraler Brennstoff
Biomasse ist kostbar. Das zeigen die vielen Biomasseanlagen, die
insbesondere in den vergangenen rund 15 Jahren in Deutschland wie Pilze
aus dem Boden sprießten. Damit sie betrieben werden können, werden zum
Beispiel Energiepflanzen angebaut. Landwirte klagen darüber, dass
dadurch Engpässe für Viehfutter entstehen. Bei Biomasse aus Müll gibt es
solche Probleme nicht. Aber nicht überall ist eine Biotonne das
geeignete Mittel, diesen kostbaren Rohstoff zu erfassen. Besonders in
südeuropäischen Ländern mit deutlich höheren Lufttemperaturen müssen die
Mülltonnen mehrmals in der Woche oder sogar jeden Tag geleert werden.
Da kommt ein Tonnen-Bataillon wie es in Deutschland vom Gesetzgeber
gefordert wird nicht in Frage. Die Müllabfuhr wäre rund um die Uhr im
Einsatz, um die verschiedenen Abfallbehälter zu leeren. „Ein einfaches
Sammelsystem und eine möglichst simple Technik sind unser Ziel, um
organischen Brennstoff aus Biomasse herzustellen“, erklärt Pretz während
seines Vortrags. Bioabfall ist aber vor allem eins: Er ist nass. Und
nasser Abfall lässt sich nicht gut sortieren, sondern pappt und klebt
aneinander. „Deshalb ist die MBT Mertesdorf für uns wichtig“, führt der
Lehrstuhlinhaber und Leiter des Instituts für Aufbereitung und Recycling
weiter aus. „Hier wird der Abfall mit einem hervorragenden Ergebnis
biologisch getrocknet. Anschießend wandert das bunte Gemisch auf
Förderbändern in die verschiedenen Elemente der Sortieranlage. Das
Herzstück ist die Sortiereinheit „Biomassebrennstoff“. „Wir gehen davon
aus, dass wir bis zu einem Drittel der rund 120 000 Mg (t) Restabfall,
die jährlich von 530 000 Einwohnern in Trier und den Landkreisen
Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich, Eifelkreis und Vulkaneifelkreis
anfallen, als organischen Brennstoff (Refined Renewable Biomass Fuel,
kurz RRBF) gewinnen können“, rechnet Pretz vor. Das wären jährlich bis
zu 40 000 Mg klimaneutraler Brennstoff oder bis zu 74 kg pro Einwohner.
Ebenfalls im Rahmen des MARSS-Projekts soll das Fraunhofer Institut die
Eignung für den Einsatz in Biomasse-Kraftwerken dokumentieren.
Trotz Biotonne viel Biomasse in der Mülltonne
Pretz hat ein weiteres Ergebnis, das die Zuhörer aufhorchen lässt. Auch
in Gebieten mit Biotonne beträgt der Biomasseanteil in der Restmülltonne
immer noch 52 Prozent. Dies wurde beim Vergleich des Abfalls aus dem
Vulkaneifelkreis, der neben Grünschnitt-Sammelstellen auch die Biotonne
hat, und des Abfalls aus Trier, den Landkreisen Bernkastel-Wittlich und
Eifelkreis, die allesamt zwar Grünschnitt-Sammelstellen aber keine
Biotonne haben, festgestellt. Hier liegt der Anteil des Bioabfalls im
Restabfall bei 57 Prozent.
Modellcharakter für viele EU-Staaten
An den Universitäten in Neapel und Barcelona wird anhand von Fallstudien
gezeigt, welche Akzeptanz und ökologischen Auswirkungen das Verfahren
in verschiedenen EU Staaten hat. Dies gilt auch für Länder, deren
wichtigster Entsorgungsweg die Deponie ist. So deponieren 17 EU-Staaten
mehr als 50 Prozent ihrer Abfälle.
„Der Workshop hat gezeigt, dass es für das Know-how der RegEnt aus dem
Betrieb der MBT Mertesdorf und für das nachträgliche Separieren von
Biomasse europaweiten Bedarf gibt“ resümiert RegEnt Geschäftsführer und
Gastgeber, Max Monzel, zufrieden am Ende der zweitägigen
Veranstaltung.
Hintergrund:
Neben der Regionalen Entsorgungsgesellschaft mbH (RegEnt) als
Betreiberin der Demonstrationsanlage sind am Projekt auch die
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), die pbo
Ingenieurgesellschaft, die Universitá degli Studi di Napoli und die
Universitat Autónoma de Barcelona beteiligt. Das Projekt ist auf eine
Laufzeit von 40 Monaten ausgelegt und soll Ende 2015 abgeschlossen sein.
Die Kosten betragen 4,15 Millionen Euro. Davon werden 2,07 Millionen
Euro von der EU übernommen.